„Führen. Glauben. Gestalten. – Kirche leiten mit Herz, Haltung und Auftrag“ Die Arbeit im Kirchengemeinderat
- Matthias Reithmann
- 18. Apr.
- 18 Min. Lesezeit

Einleitung
Kirchengemeinderäte stehen heute vor der Herausforderung, ihr ehrenamtliches Engagement professionell und qualitätsvoll zu gestalten, ohne dabei ihre geistlichen Wurzeln zu verlieren. Ob erfahrenes Mitglied oder Neuling im Gremium – alle profitieren von klaren Leitlinien für eine effektive und zugleich spirituell fundierte Gemeindeleitung. In Wirtschaft und Non-Profit-Organisationen haben sich moderne Management- und Führungskonzepte etabliert; auch in der Kirche gilt es, managementorientierte Perspektiven mit theologisch-geistlichem Hintergrund zu verbinden. Dieses Spannungsfeld birgt enormes Potenzial: Durchdachte Planung und Organisation können den Auftrag der Kirche unterstützen, wenn sie im Geist christlicher Werte umgesetzt werden.
Der vorliegende Fachartikel bietet einen praxisorientierten Leitfaden für die Arbeit im Kirchengemeinderat. Er beleuchtet, was Professionalität und Qualität in diesem Kontext bedeuten, wie sich christliches Management in der Praxis umsetzen lässt und auf welche Weise verschiedene Führungsstile – der transformatorische, der dienende und Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft (Neuroleadership) – fruchtbar im Gemeindeleben angewandt werden können. Dabei stützt sich der Artikel auf bewährte Quellen aus Literatur und Praxis, u.a. zentrale Gedanken aus "Jesus auf der Chefetage" von J. Knoblauch & J. Opprecht, "Menschen führen – Leben wecken" von A. Grün, "Projektmanagement und Spiritualität" von H.J. Ingenlath, "Geistesgegenwärtig führen" von D. Zindel, "Petrus und Paulus – Wer entscheidet in Gruppen" von M. Wilde, "Bibelsprüche für Führungskräfte" von C. Schlüter und "Jesus als Coach" von S. Soria. Ergänzend fließen aktuelle Ansätze zu christlicher Führung, Kirchenleitung, spirituellem Management, Servant Leadership (dienender Führung) und Neuroleadership ein, um einen fundierten und zugleich praxisnahen Überblick zu geben.
Ziel ist es, theoretische Fundierung und geistliche Inspiration in konkrete Handlungsempfehlungen zu übersetzen. Konkrete Checklisten, Praxisbeispiele und – wo sinnvoll – Tabellen fassen die wichtigsten Punkte zusammen. So entsteht ein praxisorientierter Leitfaden, der Kirchengemeinderatsmitgliedern hilft, ihre gemeinsame Arbeit zum Wohle der Gemeinde kompetent, effizient und geistlich erfüllt zu gestalten.
Was bedeutet professionelle und qualitätsvolle Arbeit im Kirchengemeinderat?
Zunächst gilt es zu klären, was unter professioneller und qualitätsvoller Arbeit in einem Gremium zu verstehen ist, dessen Mitglieder überwiegend Ehrenamtliche sind. Professionalität im Kirchengemeinderat bedeutet nicht, dass alle Mitglieder akademisch ausgebildete Theologen oder Manager sein müssen. Vielmehr geht es um eine professionelle Haltung: Verlässlichkeit, Zielorientierung, klare Kommunikation und das Streben nach Exzellenz im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel. Ein professionell agierender Kirchengemeinderat definiert z.B. klare Zuständigkeiten, bereitet Entscheidungen gründlich vor, dokumentiert Beschlüsse und überprüft deren Umsetzung. Er orientiert sich an bewährten Verfahren (best practices) – etwa in Sitzungsleitung oder Projektplanung – und nimmt bei Bedarf externe Beratung oder Fortbildung in Anspruch. Gerade weil die Mitglieder ehrenamtlich tätig sind, ist es wichtig, die gemeinsame Zeit effizient zu nutzen und Doppelarbeit oder endlose Diskussionen zu vermeiden. Professionalität zeigt sich auch darin, Konflikte sachlich anzugehen, Verantwortlichkeiten zu klären und transparent zu kommunizieren.
Qualitätsvolle Arbeit geht darüber hinaus: Sie fragt nach der inhaltlichen und geistlichen Qualität der Entscheidungen und Maßnahmen. Ein Kirchengemeinderat arbeitet qualitätsvoll, wenn er sich vom gemeinsamen Auftrag leiten lässt – also der Verkündigung des Evangeliums und dem Dienst am Nächsten – und regelmäßig reflektiert, ob die Gemeinde dieser Mission näherkommt. Qualitätsentwicklung kann z.B. bedeuten, Ziele für die Gemeindearbeit zu formulieren (etwa "Wir möchten in den nächsten 5 Jahren die Jugendarbeit stärken und verdoppeln die Zahl aktiver Jugendlicher") und den Fortschritt zu messen. Ebenso gehört dazu, Feedback von Gemeindemitgliedern einzuholen und ernst zu nehmen. Qualität zeigt sich in der Wirkung der Arbeit: Werden Gottesdienste, Gruppen und Aktionen so gestaltet, dass Menschen im Glauben wachsen und neue Teilnehmer gewonnen werden? Fühlt sich die Gemeinde geistlich gut geleitet und auch organisatorisch gut betreut (z.B. gepflegte Gebäude, solide Finanzen, transparente Information)?
Ein weiterer Aspekt qualitativer Kirchenleitung ist die geistliche Atmosphäre im Gremium. Professionell zu arbeiten heißt nicht, auf Spiritualität zu verzichten – im Gegenteil: Eine bewusste geistliche Ausrichtung kann als Qualitätsmerkmal gesehen werden. Anselm Grün betont, Führen sei für Christen „eine spirituelle Aufgabe“. Er beschreibt den Verantwortlichen als einen Menschen, „der dem Leben dient und in seinen Mitarbeitern Leben weckt“. Qualität im Kirchengemeinderat bemisst sich also nicht nur an äußeren Kriterien, sondern auch daran, ob die Früchte des Geistes (Gal 5,22) spürbar werden: Liebe im Umgang miteinander, Freude am Dienen, Friede bei kontroversen Diskussionen, Geduld mit Schwächeren, Freundlichkeit im Ton, Güte in den Absichten, Treue zur gemeinsamen Sache, Sanftmut statt Machtgehabe und Selbstbeherrschung auch in stressigen Phasen. Ein solcher geistlicher Qualitätsmaßstab verhindert, dass Effizienz auf Kosten der Menschlichkeit geht.
Zusammengefasst: Professionell und qualitätsvoll arbeiten bedeutet im Kirchengemeinderat, die Sache Gottes mit menschlicher Professionalität voranzubringen. Es heißt, sowohl Sachkompetenz (Planen, Organisieren, Entscheiden) einzusetzen als auch Sozial- und Glaubenskompetenz (Zuhören, Dienen, geistlich Unterscheiden) walten zu lassen. Wo beides zusammenkommt, entsteht eine Leitungskultur, die sowohl effektiv als auch authentisch christlich ist. Im Folgenden wird aufgezeigt, wie Kirchengemeinderäte diese Verbindung in die Praxis umsetzen.
Christliches Management praxisorientiert umsetzen
Der Begriff Management mag im Kirchlichen zunächst fremd klingen – schließlich geht es um Gemeinde, nicht um einen Wirtschaftsbetrieb. Doch christliches Management meint nichts anderes als eine kluge, planvolle Verwaltung der anvertrauten Ressourcen (Menschen, Zeit, Geld, Gebäude) zum Erreichen der Missionsziele der Kirche. Tatsächlich finden sich in Bibel und Tradition zahlreiche Hinweise auf gutes Management: Von Moses, der sich von Jitro raten ließ, Aufgaben an fähige Männer zu delegieren (2 Mose 18,17-23), bis zur Apostelgeschichte, wo die Gemeinde durch die Wahl der sieben Diakone die Versorgung der Bedürftigen organisatorisch sicherstellte, um die Apostel zu entlasten (Apg 6,1-7). Praxisorientiertes Management im Kirchengemeinde-Kontext bedeutet, solche Prinzipien bewusst und methodisch anzuwenden.
Ein zentraler Schritt ist, sich als Gremium über Vision und Ziele der Gemeinde zu verständigen. Ohne klare Ausrichtung besteht die Gefahr, sich im Alltagsgeschäft zu verlieren (oder an Nebenschauplätzen aufzureiben). Ein bekannter biblischer Grundsatz lautet: “Wo keine Vision ist, verwildert ein Volk” (Spr 29,18). Die Übersetzung ins kirchliche Management: Entwickeln Sie gemeinsam ein Leitbild oder konkrete Ziele für Ihre Gemeinde – z.B. Ausbau der Familienarbeit, Vertiefung der Spiritualität, Engagement für soziale Gerechtigkeit vor Ort. Diese Ziele dienen als Kompass für Prioritäten und Entscheidungen. Ein professioneller Kirchengemeinderat überprüft regelmäßig, ob seine Aktivitäten noch auf die vereinbarten Ziele einzahlen, und justiert gegebenenfalls nach.
Planvolles Vorgehen bildet das Rückgrat professioneller Arbeit. Hier kommen Projektmanagement-Methoden ins Spiel, die Hermann J. Ingenlath in "Projektmanagement und Spiritualität" aus christlicher Perspektive beleuchtet. Er zeigt anhand biblischer und historischer Beispiele, dass sich Management und Spiritualität gegenseitig positiv beeinflussen können. Konkret empfiehlt es sich, bei größeren Vorhaben (Renovierung des Gemeindehauses, Veranstaltungsreihe, Gemeindefest, missionarisches Projekt etc.) wie ein Projektteam zu agieren: Ziele definieren, einen groben Zeit- und Ablaufplan erstellen, Verantwortliche benennen, Budget planen und Risiken bedenken. All das darf gern in einem einfach gehaltenen Projektplan dokumentiert werden, damit jeder den Überblick behält. Gleichzeitig warnt Ingenlath davor, nur technisch-ökonomisch zu denken – entscheidend ist der Sinnaspekt: “Auch wenn ein Projekt technisch realisierbar und ökonomisch darstellbar ist, muss es nicht sinnvoll sein”. Ein Kirchengemeinderat sollte also stets fragen: Dient dieses Vorhaben wirklich unserem christlichen Auftrag? Passt es zu unseren Grundüberzeugungen? Wenn nicht, kann es trotz Machbarkeit falsch sein. So verhindert die geistliche Perspektive Aktionismus und hält die Ausrichtung auf Gottes Willen. Ein weiterer Aspekt christlichen Managements ist der Umgang mit Ressourcen nach biblischen Werten. Dazu gehört ein verantwortungsvolles Finanzmanagement – jeder Euro ist anvertrautes Gut, das treu verwaltet sein will (vgl. das Gleichnis von den anvertrauten Talenten, Mt 25,14-30). Transparenz in Finanzfragen, sachkundige Haushaltsplanung und regelmäßige Kassenprüfung sind Ausdruck professioneller Sorgfalt und stärken das Vertrauen der Gemeinde. Ebenso zählt das Gebäudemanagement: Kirchen, Gemeindehäuser und Grundstücke brauchen Pflege und Instandhaltung. Ein Kirchengemeinderat tut gut daran, langfristige Unterhaltspläne zu erstellen und nötige Renovierungen proaktiv anzugehen, statt im Notfall hektisch reagieren zu müssen. All dies sind „handwerkliche“ Managementaufgaben, die zwar nicht geistlich spektakulär klingen, aber wesentlich zur Qualität der Gemeindearbeit beitragen – denn eine heruntergewirtschaftete Infrastruktur oder chaotische Finanzen können die Verkündigung genauso behindern wie schlechte Predigten.
Personalmanagement im Kirchengemeinderat betrifft vor allem die Koordination der Haupt- und Ehrenamtlichen. Gerade hier zeigt sich christliches Management in besonderer Weise: Menschen führen – Leben wecken, wie Anselm Grün sagt. Ein kirchliches Gremium sollte darauf achten, “Lebensdienlich” zu führen, d.h. die Menschen in ihren Gaben zu fördern, statt sie auszubrennen. Praktisch heißt das: Aufgabenverteilung nach Begabung (Charismenorientierung), realistische Zeitplanung (niemanden überfordern, auf Work-Life-Balance achten, auch im Ehrenamt), regelmäßige Würdigung der Mitarbeit (Dankesfeste, persönliche Wertschätzung) und Weiterbildungsmöglichkeiten anbieten. Professionelles Personalmanagement erkennt, dass die Motivation der Mitarbeiter ein entscheidender Faktor für Qualität ist. Hier kann die Kirche von moderner Führungslehre lernen: Studien zeigen, dass zufriedene und sinnmotivierte Mitarbeiter bessere Ergebnisse erzielen. Im gemeindlichen Bereich ist die Motivation oft intrinsisch (Glaube, Gemeinschaft, Sinn) – diese zu erhalten und zu stärken ist wichtiger als materielle Anreize. Eine Gemeinde, in der Ehrenamtliche brennen statt ausbrennen, zeugt von guter Leitungsqualität.
Entscheidungsfindung ist ein Kernprozess jedes Leitungsgremiums. Professionell bedeutet hier, Entscheidungen strukturiert vorzubereiten (Informationen einholen, Alternativen abwägen, ggf. kleine Arbeitsgruppen einsetzen) und mit klarer Methodik herbeizuführen (durch Mehrheitsvotum, Konsensgespräche oder spirituelle Entscheidungsprozesse). Qualitätsvoll wird es, wenn Entscheidungen nicht nur rational, sondern auch im Hören auf Gottes Geist getroffen werden. Viele Kirchengemeinderäte praktizieren daher ein Gebet um Leitung vor schwierigen Abstimmungen oder halten im Prozess geistliche Impulse präsent (z.B. indem man sich fragt: „Was würde Jesus in dieser Situation wichtig sein?“). Solch ein Vorgehen entspricht dem Prinzip des christlichen Managements, Gott als eigentlichen Herrn der Kirche anzuerkennen. Jörg Knoblauch und Jürg Opprecht schildern in "Jesus auf der Chefetage" eindrücklich, wie erfolgreiche christliche Führungskräfte bewusst Gott in ihre Unternehmensführung einbeziehen: “Gott hilft mir jeden Tag”, berichtet etwa ein Unternehmer, der die Zehn Gebote zur Geschäftsgrundlage gemacht hat. Entscheidungen werden in Gebet und Bibelorientierung eingebettet. Ein Beispiel: Ein christlicher Geschäftsführer investierte gezielt in ein seelsorgerliches Betreuungsprogramm für seine Mitarbeitenden – und stellte fest, dass dies die beste Investition mit dem größten Ertrag war: Die Motivation stieg, Fehlzeiten und Fluktuation gingen deutlich zurück, die Produktivität nahm zu. Seine Schlussfolgerung: “Jede gute und gütige Gabe kommt von [Gott] – Ideen und Erfindungen eingeschlossen. […] Wir wenden viel Gebet auf, um seine Führung zu suchen”. Übertragen auf die Gemeinde bedeutet das: Spirituelle Mittel (Gebet, Bibelworte, Segenshandlungen) dürfen integraler Bestandteil des Entscheidungs- und Managementprozesses sein. Sie schaffen einen Rahmen, in dem menschliche Professionalität unter Gottes Segen gestellt wird.
Zusammenarbeit mit Hauptamtlichen: In vielen Gemeinden arbeiten Pfarrer/Priester oder andere hauptamtliche Mitarbeitende (Gemeindediakone, Kirchenmusiker etc.) eng mit dem gewählten Kirchengemeinderat zusammen. Professionell ist hier ein partnerschaftliches Verständnis von Leitung: Klar abgesteckte Verantwortungsbereiche (wer entscheidet was?), regelmäßiger Austausch und gegenseitige Unterstützung. Konflikte entstehen häufig durch unklare Erwartungen – dem beugt man durch schriftlich fixierte Geschäftsordnungen oder Absprachen vor. Eine qualitätsvolle Teamarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt zeichnet sich dadurch aus, dass alle die gemeinsame Sendung vor Augen haben und einander als Ergänzung sehen, nicht als Konkurrenz. Der Pfarrer etwa bringt theologisch-seelsorgerliche Expertise ein, der Vorsitzende des Rates vielleicht betriebswirtschaftliches Wissen, ein anderes Mitglied pädagogische Erfahrung usw. So entsteht ein Leitungsteam, das vielfältige Gaben vereint (Eph 4,11-12 lässt grüßen: die verschiedenen Dienste dienen dem Aufbau des Leibes Christi). Wichtig ist gegenseitiger Respekt vor dem jeweiligen Charakter der Rolle: Hauptamtliche verfügen oft qua Amt über geistliche Autorität und Vorgesetztenfunktion, während Ehrenamtliche die Gemeinde-Basisrepräsentation und Alltagskompetenz einbringen. Professionell heißt, diese Dualität positiv zu nutzen – qualitativ heißt, im Geist der Geschwisterlichkeit zu kooperieren.
Abschließend sei betont: Christliches Management ist kein Widerspruch in sich. Es verbindet Planung mit Vertrauen, „Ora et labora“ (Bete und arbeite) auf Leitungsebene. Daniel Zindel spricht davon, das Wesen christlicher Organisationen zu verstehen und betont: „Leiten ist letztlich eine spirituelle Angelegenheit und eine klare Herausforderung, selbst geistlich zu wachsen.“ Ein Kirchengemeinderat sollte also seine eigene Leitungsarbeit als geistlichen Weg begreifen – offen für göttliche Inspiration und bereit zur persönlichen Entwicklung. Gleichzeitig mahnt Zindel, Management-Prinzipien nicht unreflektiert aus der säkularen Welt zu übernehmen, sondern sie an christlichen Werten zu messen. Professionell UND geistlich zu leiten erfordert diese ständige Reflexion.
Praxis-Tipp: Nutzen Sie biblische Weisheiten im Führungsalltag! Christiane Schlüter hat in "Bibelsprüche für Führungskräfte" 650 Bibelzitate thematisch geordnet – zu Anlässen vom Projektstart bis zur Zielvorgabe – und macht deutlich, wie überraschend aktuell diese Weisheiten sind. So findet man schnell einen passenden Vers zu Themen wie Konfliktmanagement, Innovation oder Selbstironie. Warum nicht eine Sitzung mit einem kurzen Bibelwort zu Führung beginnen (z.B. „Ein kluger Mensch lässt sich raten“, Spr 12,15, wenn Entscheidungen anstehen) oder in einem Newsletter an Mitarbeitende einen ermutigenden Vers teilen? Solche geistlichen Inputs zur rechten Zeit (Spr 15,23) können Motivation und Ausrichtung stärken – und sie unterstreichen die Einzigartigkeit christlicher Führungskultur.
Transformatorischer Führungsstil – Visionäre Leitung mit Veränderungsenergie
Moderne Führungstheorien unterscheiden häufig zwischen transaktionaler und transformationaler Führung. Während transaktionale Führung auf Austauschbeziehungen beruht (Leistung gegen Gegenleistung, z.B. Mitarbeiter tun ihre Arbeit für Gehalt und Sicherheit), setzt transformatorische Führung (transformational leadership) auf Inspiration, Wertewandel und intrinsische Motivation.
Für Kirchengemeinderäte, die ihre Gemeinde nicht nur verwalten, sondern gestalten wollen, ist der transformatorische Ansatz sehr hilfreich. Er bedeutet: Leitung durch Vision und Vorbild.
Der Historiker James MacGregor Burns prägte den Begriff der transforming leadership, den Bernard Bass später auf die Mitarbeiterführung übertrug. Transformational führende Personen versuchen demnach, die Einstellungen und Werte ihrer Mitarbeiter so zu verändern, dass diese aus innerer Überzeugung gemeinsame höhere Ziele verfolgen. Im Gegensatz dazu hält transaktionale Führung eher den Status quo aufrecht. Übertragen auf den Kirchensektor heißt das: Eine transformatorisch ausgerichtete Gemeindeleitung will nicht nur den laufenden Betrieb sichern, sondern Veränderungen bewirken, die die Gemeinde näher an ihre Vision bringen – sei es geistliches Wachstum, missionarische Ausstrahlung oder diakonische Wirkung.
Kennzeichnend für transformationales Führen sind die „4 I’s“ (nach Bass):
Idealized Influence (Vorbildwirkung): Die Leitungsperson wird als integer und glaubwürdig wahrgenommen und dient als Vorbild, an dem sich andere orientieren. Im Kirchengemeinderat bedeutet das: Die leitenden Personen leben die Werte vor, die sie verkünden. Z.B. Authentizität im Glauben, Einsatzbereitschaft, aber auch Fehler eingestehen können. Wenn ein Vorsitzender selbst pünktlich und vorbereitet zu Sitzungen kommt, strahlt das aus. Wenn der Pfarrer in seiner Lebensführung Bescheidenheit und Dienstbereitschaft zeigt, nimmt man ihm Appelle zur Nächstenliebe eher ab. Jesus selbst ist das ultimative Vorbild: “Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt” (Joh 13,15) – diese Maxime gilt für jede christliche Führungskraft.
Inspirational Motivation (inspirierende Motivation): Transformatorische Leiter entwickeln und kommunizieren eine inspirierende Vision, die Sinn vermittelt und Begeisterung weckt. Für den Kirchengemeinderat könnte das heißen: Ein gemeinsames Leitbild formulieren (z.B. “Unsere Gemeinde soll ein offenes Haus des Glaubens für alle Generationen sein”) und dieses regelmäßig in Predigten, Gemeindebrief und Gesprächen lebendig halten. Inspirierende Motivation zeigt sich auch in einer ermutigenden Kommunikation – Mitarbeiter und Gemeindeglieder spüren, wofür es sich lohnt sich zu engagieren. Ein transformatorischer Leiter spricht nicht nur von Pflichten, sondern von Visionen: Er oder sie malt ein Bild der Zukunft, das Anziehungskraft besitzt (etwa: “Stellt euch vor, unsere Kirche wäre jeden Sonntag voll junger Familien – lasst uns Schritte gehen, um das wahr zu machen”). Diese Art der Motivation steigert die intrinsische Motivation der Beteiligten erheblich, weil sie Sinn und Zweck ihres Tuns klar erkennen. Intellectual Stimulation (intellektuelle Anregung): Das bedeutet, Mitarbeiter (oder Gremienmitglieder) zu kreativem Denken herauszufordern und neue Ideen zu ermöglichen. Im Gemeinderat kann dies heißen: alte Muster hinterfragen, “Das haben wir schon immer so gemacht” nicht gelten zu lassen, sondern Innovation zu fördern. Beispielsweise könnte ein Pfarrgemeinderat die Frage stellen: Wie können wir liturgische Traditionen neu beleben? Oder: Gibt es unkonventionelle Wege, Menschen anzusprechen, die der Kirche fernstehen? Transformatorische Führung ermutigt jedes Mitglied, seine Einfälle einzubringen, und schafft Raum für geistliche Kreativität. Ein konkretes Instrument ist hier das Ideen-Brainstorming im Gremium ohne sofortige Bewertung – so kommen auch ungewöhnliche Vorschläge auf den Tisch. Die Gemeinde befindet sich stets in veränderten Kontexten (demografischer Wandel, Digitalisierung, Pandemie-Auswirkungen etc.); intellektuelle Anregung hilft, darauf innovative Antworten zu finden, statt nur defensiv zu reagieren.
Individualized Consideration (individuelle Beachtung/Förderung): Eine transformierende Führungsperson nimmt den Einzelnen wahr und fördert individuell seine Entwicklung. Bass beschreibt den Leader hier als Coach, Lehrer und Mutterfigur für die Mitarbeiter. Im Kirchengemeinderat könnte dies bedeuten: Mentorenschaft untereinander – Erfahrene nehmen Neue an die Hand, man sorgt für Weiterbildung, oder ein älteres Mitglied fördert gezielt einen jungen Christen und traut ihm eine Aufgabe zu. Es heißt auch, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen: Der eine übernimmt lieber praktische Aufgaben, die andere blüht in der Moderation auf – maßgeschneiderte Beteiligung erhöht sowohl Zufriedenheit als auch Effektivität. Diese individualisierte Zuwendung stärkt den Zusammenhalt und lässt jeden wachsen, was wiederum der ganzen Gemeinde zugutekommt.
Transformatorische Führung im Gemeinde-Kontext zeigt sich häufig in Erneuerungsprozessen. Ein Beispiel: Eine Gemeinde steckt in Routine und Ermüdung fest. Der neue Kirchengemeinderat startet einen Visionsprozess mit der Frage: “Wofür soll unsere Gemeinde in fünf Jahren stehen?” In Workshops mit der Gemeinde wird ein Leitbild erarbeitet, das alle begeistert – etwa verstärkte Sozialarbeit im Stadtteil und lebendigere Gottesdienste. Anschließend leitet der KGR einen Veränderungsprozess ein: neue Projekte (z.B. eine wöchentliche Suppenküche, moderne Musik in der Liturgie), Einbindung vieler Ehrenamtlicher, Öffentlichkeitsarbeit. Durch inspirierende Zielsetzung und intensive Kommunikation werden anfangs skeptische Mitglieder mitgezogen. Der Pfarrer und die Vorsitzende gehen mit gutem Beispiel voran, packen selbst mit an und loben öffentlich die Engagierten. Nach einem Jahr zeigt sich bereits Frucht: Die Gottesdienstbesucherzahlen steigen, die Gemeinde zieht auch neue Leute an, das Image verbessert sich. Dieses fiktive Szenario verdeutlicht: Transformatorische Leitung weckt Veränderungsenergie. Sie verlangt Mut und einen langen Atem, denn nicht jeder Wandel ist schmerzfrei. Aber sie kann einen eingeschlafenen Kirchenkörper neu beleben.
Natürlich sollte transformatorische Führung im kirchlichen Bereich immer geistlich geerdet bleiben. Die Verwandlung (Transformation), um die es geht, ist letztlich Werk des Heiligen Geistes – Leitung kann dafür den Weg bereiten, Stolpersteine ausräumen, Menschen begeistern, aber nicht alles erzwingen. Eine Versuchung ist, charismatische Visionäre zu sehr zu glorifizieren ("Pastor XY reißt alle mit") – hier mahnt die Theologie zur Demut: Auch der begabteste Leiter bleibt primus inter pares, ein Diener Gottes. Transformatorisch zu führen heißt somit auch, Gottvertrauen zu haben, dass ER Herzen verändert, und Erfolge im Gebet zurück an Gott zu spiegeln (Dank, Fürbitte).
Kurzcheck – Bin ich ein transformatorischer Leiter? Stellen Sie sich als Kirchengemeinderat die Fragen: Haben wir eine inspirierende Vision für unsere Gemeinde formuliert und kommuniziert? Gehen wir selbst als Vorbilder voran in Glaube und Tat? Ermutigen wir neue Ideen und kritisches Mitdenken? Kümmern wir uns um die Entwicklung jedes Mitarbeiters, jeder Mitarbeiterin? Wo Sie diese Fragen mit Ja beantworten, sind Sie auf gutem Weg zu einer transformatorischen, zukunftsgerichteten Gemeindeleitung.
Dienender Führungsstil – Servant Leadership nach dem Vorbild Jesus
Kaum ein Führungsprinzip passt so gut zur Kirche wie das der dienenden Leitung (Servant Leadership). Jesus Christus selbst hat dieses Paradigma geprägt: „Wer unter euch groß sein will, der soll euer Diener sein“ (Mk 10,43). Er demonstrierte es, als er seinen Jüngern die Füße wusch – eine Aufgabe des niedrigsten Dieners – und sagte: „Ich habe euch ein Beispiel gegeben“ (Joh 13,14-15). Dienende Führung stellt das Dienen, nicht das Herrschen, in den Mittelpunkt. In der modernen Managementtheorie wurde dieser Ansatz durch Robert K. Greenleaf bekannt, der 1970 den Essay "The Servant as Leader" veröffentlichte. Greenleaf schreibt: „Der dienende Führer ist zuerst Diener... Diese Person unterscheidet sich stark von einer Person, die an erster Stelle führen will.“ Das heißt: Zuerst kommt die Haltung des Dienens – führen ergibt sich daraus, nicht umgekehrt.
Während traditionelle Führung oft die Machtposition betont (oben entscheidet, unten führt aus), kehrt Servant Leadership die Pyramide um: Die Leitung versteht sich als Fundament, das die Mitarbeiter und Gemeindeglieder stützt und befähigt, ihre Aufgaben zu erfüllen. Greenleaf schlug sogar vor, statt eines hierarchischen „Pyramiden“-Modells eher an einen Primus inter Pares (Ersten unter Gleichen) zu denken, wo Führung durch Überzeugung statt durch Anordnung geschieht. Für Kirchengemeinderäte ist das sehr passend: Sie sind ja keine Chefs mit Befehlsgewalt, sondern gewählte Vertreter, die in der Regel im Team und im Konsens arbeiten. Eine dienende Haltung schafft hier ein Klima auf Augenhöhe.
Ein zentraler Maßstab für dienende Führung ist laut Greenleaf: Dient die Leitung den Menschen so, dass diese wachsen? “Do those served grow as persons? Werden sie während dem Dienen gesünder, weiser, freier, autonomer – und neigen sie selbst eher dazu, zu dienen?”. In einem Kirchengemeinderat kann man sich fragen: Blühen die Mitglieder und Mitarbeiter durch unseren Führungsstil auf? Lernen sie dazu, übernehmen sie Verantwortung, entwickeln sie sich im Glauben und in ihren Fähigkeiten weiter? Und profitieren besonders auch die Schwächsten von unserem Handeln oder werden sie übergangen? Diese Fragen verhindern eine egozentrische Perspektive. Dienende Leiter stellen die Bedürfnisse der Geführten über die eigenen Ambitionen.
Konkret zeigt sich dienende Leitung im Gemeindealltag durch viele kleine Dinge: Leitungssitzungen beginnen mit der Frage, “Wem und wie können wir heute dienen?”, z.B. welche Anliegen in der Gemeinde drängend sind. Ein dienender Kirchengemeinderat hat die Gemeindeglieder im Blick – er hört Stimmungen und Nöte heraus (z.B. Unzufriedenheit mit der Gottesdienstzeit, Wunsch nach mehr Seelsorgeangeboten) und versucht, Abhilfe zu schaffen. Die Kommunikation ist geprägt von Zuhören und Empathie. Wenn Gemeindemitglieder Kritik äußern, wird ihnen ohne Abwehr zugehört. Entscheidungen werden transparent begründet, wobei man den Nutzen für die Gemeinde betont, nicht Machtworte spricht.
In der Führung des Mitarbeiterteams (Haupt- und Ehrenamtliche) bedeutet Servant Leadership: Empowerment – andere groß machen. Ein dienender Leiter delegiert gern und vertraut den Leuten Verantwortung an, anstatt alles an sich zu ziehen. Er fragt: “Was brauchst Du, um Deine Aufgabe gut machen zu können?” und “Wie kann ich Dich unterstützen?”. So wird die Leitungskraft zum Coach und Förderer. Moderne Führungslehre bestätigt den Erfolg dieses Ansatzes: “Wenn ich als Servant Leader agiere, diene ich den Personen in meinem Umfeld und helfe anderen dabei, zu wachsen. Gleichzeitig erziele ich nachhaltigere Ergebnisse für die Organisation. Die Menschen sind überzeugt von dem, was sie tun. Wenn ich umgekehrt über formale Anweisungen führe, laufe ich Gefahr, dass die Menschen nicht überzeugt sind.”, sagt Organisationsentwickler Ralf Kruse. Mit anderen Worten: Dienende Führung bringt Herz und Verstand der Mitarbeiter ins Spiel, statt nur pflichtgemäßes Abarbeiten zu erzielen – das Engagement wird nachhaltiger. Auch in kirchlichen Kontexten gilt: Wer nur mit Hierarchie oder Druck führt, bekommt Dienst nach Vorschrift; wer mit dienender Haltung führt, gewinnt Herzen und Ehrenamt – die Leute machen aus Überzeugung mit.
Eigenschaften dienender Leiter
Was macht eine dienende Führungspersönlichkeit aus? Aus der Literatur (u.a. den 10 Charakteristika nach Larry Spears, die Greenleafs Ideen zusammenfassen, sowie Erfahrungen aus agilen Organisationen) lassen sich einige Schlüssel-Eigenschaften ableiten:
Demut: Dienende Leiter stellen ihr Ego zurück. Sie müssen nicht ständig im Mittelpunkt stehen oder Recht behalten. Diese Bescheidenheit erlaubt es ihnen, anderen den Vortritt zu lassen und Erfolge zu teilen. Jesus sagte: “Lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig” (Mt 11,29) – das gilt auch für seine Stellvertreter in der Gemeinde.
Empathie und Zuhören: Sie hören aktiv zu und versuchen, sich in die Lage ihrer Mitmenschen zu versetzen. Jemand mit Sorgen wird nicht abgekanzelt, sondern seine Stimme wird ernst genommen. Dadurch entsteht Vertrauen.
Förderung und Entwicklung anderer: Ein Servant Leader hat echtes Interesse daran, dass andere wachsen – fachlich, persönlich, geistlich. Er erkennt Potenziale und ermutigt zur Entfaltung. In der Gemeinde könnte das heißen: Jemandem ohne formale Theologieausbildung die Leitung eines Hauskreises anvertrauen und zuzutrauen, weil er/sie das Herz dafür hat – und ggf. zu begleiten, damit er daran wächst.
Überzeugungskraft: Ohne formale Autorität auszukommen, erfordert die Gabe, überzeugen zu können. Dienende Leiter müssen durch Vision, Argumente und persönlichen Einsatz so motivieren, dass andere freiwillig folgen. Sie inspirieren durch Begeisterung und einnehmende Kommunikation – “kommt, macht mit, es lohnt sich” statt “das ist ein Befehl”.
Selbstkenntnis (Awareness): Servant Leader kennen ihre eigenen Stärken und Schwächen gut. Diese Reflexionsfähigkeit (z.B. sich eigener Emotionen bewusst sein, die Wirkung des eigenen Verhaltens einschätzen) bewahrt vor blinden Flecken. Wer sich selbst führen kann, kann andere besser führen. Greenleaf meinte, ein guter Leiter habe eine “sense of the unknowable” – ein Gespür für die eigenen Grenzen und das, was man nicht weiß. Das hält demütig und offen für Gottes Führung.
Konzeptualisierung: Damit ist die Fähigkeit gemeint, über das Tagesgeschäft hinauszudenken und Visionen und Ideen zu entwickeln. Obwohl dienende Leiter sehr bodenständig agieren, verlieren sie das große Bild nicht aus den Augen. Sie können klar benennen, wo es langgehen soll, ohne den Prozess allein zu dominieren.
Gemeinschaftsbildung (Community Building): Servant Leader fördern Teamgeist und bauen Gemeinschaft auf. In der Kirche vielleicht noch wichtiger als anderswo: Sie schaffen Raum für Austausch, z.B. indem sie regelmäßige Mitarbeiter-Treffen oder geistliche Oasen anbieten, wo Gleichgesinnte sich stärken. Sie denken über den eigenen Wirkungskreis hinaus an das Wohl der gesamten Gemeinschaft und vernetzen Menschen.
In "Geistesgegenwärtig führen" berichtet Zindel von biblischen und klösterlichen Führungsweisheiten. Ein Fazit: Menschlichkeit ins Zentrum unternehmerischen (hier: gemeindlichen) Handelns rücken. Dienende Leiter tun genau das – sie stellen den Menschen über die Aufgabe. Wenn z.B. eine Mitarbeiterin private Probleme hat, zeigt sich dienende Führung darin, sie erstmal seelsorgerlich zu begleiten und eventuell von gewissen Pflichten zu entlasten, anstatt streng auf Leistung zu pochen. Langfristig zahlt sich das aus: Die Mitarbeiterin wird sich umso mehr eingesetzt fühlen und zurückkehren, sobald es ihr besser geht.
Unternehmer- und Verwalter-Typ – Unterschiedliche Stile vereinen
Innerhalb eines Leitungsteams gibt es oft unterschiedliche Persönlichkeiten. Pater Mauritius Wilde hat in "Petrus und Paulus – Wer entscheidet in Gruppen" eine interessante Typologie vorgestellt: den Unternehmer-Typ versus den Verwalter-Typ. Anhand der Apostel Petrus und Paulus veranschaulicht er zwei Pole von Leitung: Paulus als dynamischer Visionär (entspricht dem "Unternehmer"), Petrus als bewahrender Integrator (entspricht dem "Verwalter"). Seine Kernthese: Beide Typen werden gebraucht, doch es gibt Spannungen – “wer soll das Sagen haben?”. Tatsächlich geraten in Gremien oft “Erbsenzähler und Draufgänger, Integrationsfiguren und Antreiber” aneinander. Qualität zeigt sich darin, diese Unterschiede fruchtbar zu machen, statt in Lagerkämpfe abgleiten zu lassen. Eine dienende Leitungskultur wird bemüht sein, beiden Polen gerecht zu werden und sie zu moderieren. Nicht Macht entscheidet (dass z.B. der Lauteste sich durchsetzt), sondern die Einsicht: “Unternehmer und Verwalter brauchen einander und bedingen einander gegenseitig.”
Zur Verdeutlichung ein Vergleich dieser Typen:
„Unternehmer“-Typus (visionär) | „Verwalter“-Typus (bewahrend) |
Charakter: Innovativ, risikofreudig, will Neues gestalten. | Charakter: Sichert Bestehendes, risikoavers, will Bewährtes erhalten. |
Stärke: Treibt Veränderungen voran, denkt strategisch und zukunftsorientiert. | Stärke: Sorgt für Stabilität, Kontinuität und Ordnung, denkt an Details und Umsetzung. |
Gefahr: Könnte übereilig handeln, andere überfahren, Unruhe erzeugen. | Gefahr: Könnte notwendige Veränderungen blockieren, zu zögerlich sein, Stillstand riskieren. |
Beide Typen sind im Team wertvoll und ergänzen sich gegenseitig – produktive Gemeindeleitung benötigt Visionäre und Bewahrer, damit weder Stillstand noch Chaos entsteht. |
In einem dienenden Führungsverständnis geht es nicht darum, welcher Typ sich durchsetzt, sondern wie jeder seine Gabe zum Dienen einbringt. Die Leitung sorgt dafür, dass der Kreative gehört wird und Spielraum bekommt, aber ebenso der Mahner für Machbarkeit Gehör findet. So fühlt sich keiner übergangen. Ein praktischer Weg ist, Aufgaben zu verteilen entsprechend der Stärken: Der visionäre Typ leitet z.B. eine Zukunftswerkstatt für die Gemeindeentwicklung, während der Verwaltungs-Typ die Finanzausschussleitung übernimmt – beide tragen zum Gemeindewohl bei und respektieren einander. Der Kirchengemeinderat als Ganzes dient der Gemeinde dann am besten, wenn er die Vielfalt der Leitungsgaben integriert.
Servant Leadership ist stark, nicht schwach
Manchmal wird dienende Führung missverstanden als "Gefälligkeitsführung" oder Schwäche. Dem ist keineswegs so. Jesus zeigt uns, dass Demut mit Mut einhergehen kann: Er hat einerseits gedient (Kranke geheilt, Füße gewaschen), andererseits aber auch mutig geführt – Konflikte nicht gescheut, Missstände angeprangert (Tempelreinigung, harte Worte gegen Pharisäer), klare Entscheidungen getroffen. Ein moderner Autor formuliert: “Jesus gab den Menschen nicht einfach nur, was sie wollten, noch floh er vor Konflikten. Er ging mit leidenschaftlicher Liebe mitten hinein, handelte kühn und mutig. […] Er führte durch und mit seinem Dienen. Er war sanftmütig, während er große Macht ausübte. Er diente seinen Nachfolgern am besten, indem er mit Stärke führte.” Dieses Bild vom "starken Diener" ist wichtig: Servant Leadership heißt nicht Passivität. Ein dienender Kirchengemeinderat kann sehr wohl Autorität ausüben – aber eben eine dienende Autorität, die zum Beispiel die Gemeinde vor Schaden bewahrt. Etwa indem er konsequent gegen Mobbing oder Ausgrenzung vorgeht (im Geist der Liebe), oder schwierige Entscheidungen trifft, die langfristig zum Wohl aller dienen, selbst wenn sie unpopulär sind (z.B. eine schmerzliche Gemeindezusammenlegung, um Ressourcen besser einzusetzen, aber begleitet von intensiver Seelsorge).
Dienende Leiter verstecken sich nicht vor Verantwortung – sie übernehmen mehr Verantwortung, indem sie für andere da sind. Ein schönes historisches Beispiel: Während einer Pestepidemie im 3. Jahrhundert blieben viele christliche Bischöfe in ihren Städten und pflegten die Kranken, während weltliche Amtsträger flohen. Ihr Dienen unter Einsatz des eigenen Lebens verlieh ihnen enorme moralische Autorität – die christliche Gemeinde gewann Vertrauen und Zulauf. Übertragen heißt das: Dienen schafft Vertrauen und Vertrauen ist die Währung erfolgreicher Leitung.
Positive Effekte und Grenzen dienender Führung
Servant Leadership wirkt sich nachweislich positiv auf die Organisation aus. Untersuchungen zeigen einen Anstieg der Arbeitszufriedenheit und einen Rückgang von Burnout-Symptomen bei dienend geführten Mitarbeitern – übertragbar dürfte das auch auf Ehrenamtliche sein: Wo sie sich unterstützt fühlen, bleiben sie engagiert und werden nicht ausbrennen. Es gibt jedoch auch Grenzen: Nicht jeder möchte dienend führen oder geführt werden. Kruse beobachtet, dass in Organisationen manche lieber “im Mittelpunkt stehen” und klassische Macht ausüben wollen – diese tun sich mit Servant Leadership schwer. In einer Kirchengemeinde könnte das etwa ein Problem sein, wenn einzelne Personen stark hierarchisch geprägt sind und Mitsprache oder geteilte Leitung als Autoritätsverlust sehen. Hier braucht es behutsame Veränderung der Führungskultur und ggf. Training. Insgesamt aber entspricht der dienende Stil am ehesten dem biblischen Ideal und dem Wesen der Kirche als Gemeinschaft der Geschwister.
Fazit: Der dienende Führungsstil verankert Leitung im Liebesgebot. Kirchengemeinderäte, die sich als Diener der Gemeinde verstehen, fördern ein Klima von Vertrauen, Beteiligung und gegenseitiger Achtung. Sie werden erleben, dass die Gemeinde ihnen folgt, weil sie dienen, nicht obwohl.
Die Herausforderung besteht darin, diese dienende Haltung täglich zu leben und zugleich steuernd einzugreifen, wo es nötig ist – immer im Bewusstsein: Wir sind Diener des einen Herrn, dessen “Joch sanft und Last leicht” ist (Mt 11,30).
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